Feeds:
Beiträge
Kommentare

Posts Tagged ‘Nur für Mädchen’

Die Publizistin Andrea Roedig schreibt heute im Freitag in einem großen Essay über den Zusammenhang zwischen Konsumkultur und Geschlecht. Dabei schaut sie sich zum Einen das Phänomen des Gender Marketings genauer an – was seit ein paar Jahren tatsächlich ein lohnender Blick auf ein spannendes Detail ist, denn immer mehr Firmen erweitern ihre Märkte, in dem sie „spezielle“ Produkte für Mann und Frau herstellen.


Pink Girls, Blue Boys by JeongMee Yoon

Weil auf den globalisierten Märkten geografisch nicht mehr so viel Raum wettzumachen ist, wie für die gewünschte Gewinnsteigerung nötig wäre, ist das der aktuelle Griff in die Trickkiste. Produkte werden geschrumpft und pink eingefärbt, um sie Frauen anzudrehen, oder sie werden extra schwarz glänzend aufpolitiert, um sie als besonders männlich zu verkaufen. Roedig schaut sich das Beispiel Bier an, auch hier funktioniert das Gendering:

Neuere Analysen der Konsumkultur betonen immer wieder, dass sich im so genannten „Kulturkapitalismus“ nicht mehr das Produkt selbst verkauft, sondern die Marke und das mit ihr verbundene Gefühl, das eben auch ein Geschlechtserlebnis ist. Weil Waren durch ihren Praxisbezug und ihre Ästhetik zu Symbolen für Geschlecht werden können, haben sie auch die Funktion, sich des eigenen Geschlechts zu versichern oder durch Kombination von „männlichen“ und „weiblichen“ Attributen eine eigene Gender-Note aufzubauen. Das „Frauenbier“ „Beck’s Gold“ zum Beispiel, funktioniert nach diesem Prinzip: Traditionellerweise trinken Frauen, wenn überhaupt, Bier aus dem Glas. Beck’s Gold ist in eine durchsichtige Flasche gefüllt, imitiert also die Qualität des Glases, gibt dann noch ein goldenes Etikett hinzu und erlaubt so, durch Hinzufügen genügend beruhigender weiblicher Merkmale, dass Frauen auch Bier aus der Flasche trinken können, ohne etwas von ihrer Weiblichkeit einzubüßen.

Zum Anderen wirft Roedig auch einen Blick auf das weibliche Konsumverhalten bzw. die Rolle, die Einkaufen für Frauen in der Geschichte spielte. Überraschenderweise nämlich ist

schon historisch Konsum ein vornehmlich weibliches Phänomen, die frühen Kaufhäuser waren eine Befreiung für bürgerliche Frauen, ihre zunächst einzige Möglichkeit, sich im öffentlichen Raum aktiv zu bewegen. In dem berühmten Roman „Paradies der Damen“ beschreibt Emile Zola, wie Kaufhäuser die Rolle einnehmen, die vormals die Kirche im Leben der Frauen hatte, und natürlich wurde Konsum auch zur Entschädigung für die Langeweile einer Existenzform, in der Selbstverwirklichung nicht vorgesehen war.

Konsum und Selbstverwirklichung so gegenüberzustellen, finde ich eine erfrischen provokante Sache. Weil Roedig damit auch nahelegt, dass Konsum eben wenn überhaupt nur eine Ersatzhandlung für Selbstverwirklichung sein kann, niemals aber diese selbst erreichen wird. Dabei versuchen uns doch jeden Tag unzählige Firmen genau das einzureden.

Read Full Post »