(Kolumne ursprünglich erschienen in der Taz vom 19. Juli)
Im Laufe der letzten Woche wurde es unvorstellbar, das Wochenende ohne Besuch am See überleben zu können. Ich brauchte dringend einen neuen Bikini, mein alter ist zehn Jahre alt. Also ging ich in eine Bademodenabteilung und versuchte, einen Bikini zu kaufen. Bei dem Versuch blieb es, ich ging ohne Bikini wieder nach Hause. Dabei habe ich keinen ausgefallenen Geschmack oder überzogene Preisvorstellungen. Ich habe nur nicht den Wunsch, meinem Busen eine Rundumabdichtung zu verpassen – gewappnet gegen Gefahren jeder Art, die am See auf mich warten.
Aber das scheint das Ziel der Bademodendesigner zu sein: meine Brüste zu beschützen. Warum sonst gäbe es nur noch dick gepolsterte Bikinioberteile?
Oder Büstenhalter. Auch hier das gleiche Bild, zum Beispiel im Prospekt, der mir ein paar Tage später aus der Zeitung entgegenflattert. Wir starren uns gegenseitig an: die gepolsterten Brüste mich und ich sie. Stramm stehen sie da, durch die unveränderliche Form der Schalen, wie eine Armee. Und neben den Dekolletés der Models steht die Erklärung für die Erfindung gepolsterter Unterwäsche: Es geht nicht um Schutz, sondern darum, etwas „unsichtbar“ zu machen. Wer sich das Wort „T-Shirt-BH“, das dort auch noch steht, ausgedacht hat, sollte mit einem solchen geknebelt werden, der Erfinder von „unsichtbar“ für seine Doofheit gleich mit. Ein unsichtbarer BH wäre: kein BH.
Deswegen kann diese Erfindung nur heißen: Irgendjemand hat ein Problem mit Brüsten, wie die Natur sie wachsen lässt. Weibliche Nippel sollen unsichtbar werden. Und in wattierte Förmchen eingepackt, wird die weibliche Brust normiert. Kleine, große, spitze, hängende, runde, schiefe, lustige oder flache Brüste sieht man immer weniger. Mit T-Shirt-BH sieht jede Brust, die einem auf der Straße entgegenkommt, gleich aus: fest, rund und mittelgroß. So wird Frauen wieder mal eingeredet, das, was sie schon haben, sei nicht ganz so super wie das, was sie haben können. Und ihnen wird auch eingeredet, auf keinen Fall dürfe man unter dem T-Shirt „etwas“ sehen. Ein T-Shirt-BH muss her, denn egal ob normaler BH oder kein BH, so lange keine Watteschicht eingebaut ist und auch nur ein kleiner Wind weht, sieht man bei Brüsten Nippel. Bei Frauen wie bei Männern.
Die Skandalisierung von Nippeln will nur so gar nicht in unsere Zeit passen, in der einem täglich aus Werbeanzeigen weibliche Brüste entgegen springen. „Brustwarzen scheinen nur okay zu sein, wenn mit ihnen etwas verkauft werden kann“, sage ich zu meiner Freundin P. Sie scheint sich auch schon ihre Gedanken über die Keuschheitsunterwäsche gemacht zu haben und verkündet in ihrer radikalen Art: „Kopftücher verbieten wollen, aber Watte-BHs herstellen!“ Ich schaue sie fragend an. „Na ist doch wahr. Das Gekreische um Kopftücher und verhüllte Frauen wird immer hysterischer, Freiheit und so. Und dann soll eine Brustwarze unterm Pullover plötzlich ein Problem sein?“
Vielleicht braucht es mehr denn je BH-verbrennende Feministinnen. Auch wenn die immer nur ein Symbolbild waren, gefällt mir die Vorstellung, dieses Bild mal Realität werden zu lassen. Für die Brüste dieser Welt zum Streichholz zu greifen.
Die Frage bleibt aber trotzdem: Woher kriege ich jetzt den Bikini?
Abseits feministischer Kampfschreie: Wenn frau vorgeformte Bikini-Cups umgehen will, heißt das Zauberwort glaube ich „Triangel-Bikini“.
Anonsten: natürlich will ich schöne Brüste haben und keine lustigen, flachen, schiefen, gekrümmten oder was da sonst noch so im Angebot der Natur ist. Wer will das denn schon? Und das diktiert mir nicht die Mode, sondern mein inniges Bedürfnis, mich an mir selbst zu erfreuen. Ich – als empanzipierte Frau – finde es einfach schön, einen schönen Busen zu haben. Ist ja nun auch nicht verboten, ne?
Btw. vielleicht bin ich ja echt zu naiv – aber ich war wirklich der Meinung, dass besagte BHs einfach dafür sorgen, dass sich die sonst von mir präferierte Spitze (der Stoff, nicht der Nippel) nicht unschön durch besagte T-Shirts drückt. Aber gut, wieder was dazu gelernt.
Ich sollte mich einfach mehr mit modischen Verschwörungstheorien befassen. Zum Beispiel: Low-Cut-Jeans – ein absurd-hässlicher modischer Zwang, der die Beine optisch verkürzt, das gebärfreudige Becken betont und zwangsweise zum Baby-Boom führt?
Liebe Grüße
@ Shermin:
Aber da Frauen ja nun alle möglichen Formen an Brüsten von der Natur verpasst kriegen: Wieso sollten sie sich nicht daran erfreuen? Der Punkt ist doch: hinterfragen, woher es kommt, dass dich nur runde Brüste erfreuen. Hättest du in den 50er Jahren gelebt, wette ich, dich hätten spitz in die Gegend stehende Brüste erfreut. Weil das damals Mode war. Mode und das Angebot in den Läden beeinflussen unser ästhetisches Empfinden massiv. Auch wenn wir uns – ganz emanzipiertes Selbstbild – einreden, es sei ganz und gar unser eigener Geschmack.
An diese Spitzbusen-Tüten habe ich vorhin auch schon gedacht. ;-)
Mag sein, dass ich in den 50ern voller Freude Tütchen, Twinset und Perlenkettchen getragen hätte. Das ist sogar sehr wahrscheinlich.
Ich streite auch keineswegs das Vorhandensein modischer Diktate ab. Und ich bin da auch ganz sicher nicht unbeeinflusst. Aber zum einen denke ich durchaus, dass der menschliche Hang zu runden Brüsten (und Hintern) irgendwie auch ein evolutionäres Erfolgskonzept ist, zum anderen will ich mich einfach nicht dafür rechtfertigen müssen, dass ich als Frau gerne schöne Brüste haben will.
Ja, ich mag meinen Körper, aber genauso wie ich lieber Highheels statt Birkenstocks trage, greife ich auch lieber zu nem schönen BH statt zu Omis fleischfarbenen Büstenhaltern.
Sorry, aber immer wenn mir jemand erzählt, dass man nicht wirklich empanzipiert handelt, wenn man nicht dieses oder jenes tut, anzieht oder denkt, und es schon wieder in eine Art Zwang ausartet, reagiere ich leicht allergisch. ;-)
Aber ich glaube wir kommen etwas vom Thema Keuschheits-BHs ab….
@ Shermin: Von Verbieten oder Zwang halte ich auch nichts, von Zum-Nachdenken-anregen aber umso mehr.
Ganz davon abgesehen, daß ich mit allem Vorgeformten ein Paßformproblem habe (Schwerkraft plus meine Brüste sind einfach stärker, so daß die Cups dann irgendwo auf der 10. Rippe hängen), habe ich mein eigenes Rezept gegen den Mangel an nicht-gepaddeten Bikinis.
Zum Spaß im Wasser heißt meine Antwort nämlich: Hochgeschlossen und aquadynamisch soll es bitte sein, und nichts Gepolstertes, was wie eine Bremse wirkt. Kein tiefer Ausschnitt, wo das Wasser beim zügigen Dahingleiten im Sportbecken reinströmt und nicht wieder raus weiß (netter Bremssegeleffekt). Also Schwimm-, nicht Badeanzug statt Bikini. Da die Haare dann eh meist unter einer züchtigen Silikonkappe verschwinden (sonst ersaufe ich beim Kraulen jämmerlich), paßt das Bild. Wen interessiert da noch mein Busen?
Aber ich habe auch ein, nun ja, eigenwilliges Verständnis von Spaß am/im Wasser. Und einen guten Schwimmanzug bekommt mensch leider ebensowenig an jeder Ecke in bezahlbar wie einen Bikini ohne Polster und Schalen.
Ach ja…. ich bin ja nu auch zur BH-Verweigerin geworden. Von wegen ‚trag brav BH, sonst hängen die irgendwann‘ – mittlerweile ist ja schon das Gegenteil erwiesen, und medizinisch ist ER auch nur bei besser bestückten Damen empfehlenswert…
Wie sich da Ammenmärchen halten ist schon doof… Nachdem ich, trüge ich noch BH, gar keinen für meine Brust fände (Aus einem Cup B oder C wird schnell ein -AA, wenn man stark zunimmt – und dabei ist man immer noch nicht flachbrüstig…) hat mir die Wundscheuerung unter meiner Brust den letzten Zweifel genommen – sowas Bitte ohne mich.
Aber ich komm trorzdem noch nicht drum rum – dass meine Brüste beim Gehen tanzen, bringt mich zwar oft auf den Gedanken „sehen die das? Ist das peinlich?“, aber da ich meinen Style selbstbewusst selbst bestimme und meine Mom auch selbstbewusts auf BH verzichtet (lol) noch nicht mal das größere Problem. Leider stehen die Nüppels IMMER – kalt, warm, Baumwolle, Synthetik… und das wird ja dann gleich mit ‚ich bin geil‘ assoziiert, und Männer fangen an innerlich zu sabbern… grrr, darauf habe ich keinen Bock. Also doch verschalen :( Aber finde mal ne Möglichkeit, das ohne BH zu machen. Grrr. Ich werde mir letzten Endes eine Kreuzung aus BH-Hemd und Unterhemd zu nähen (Mäh, immernoch gezwungen, eine unnötige Lage mehr zu tragen, aber wenigstens nicht verschnürt wie ein Airmail-Paket…). Und dafür gibt es noch nicht mal Schnittmuster. Aaah.