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Umwelt- und Sozialverträglichkeit von Konsumgütern wurden vor ein paar Jahren vielleicht noch als Gutmenschen-Chichi ausgelacht, mittlerweile wird aber mit entsprechenden Hinweisen gern geworben. Denn die Kunden sollen ein gutes Gefühl bei ihrem Einkauf haben. Auch wenn das T-Shirt nur ein paar Euro kostet, sollen sie nicht darüber nachdenken müssen, wie so ein Preis zustande kommt.

Deswegen schreibt zum Beispiel der Discounter Lidl zu den Produktionsbedingungen von Non-Food-Produkten auf der firmeneigenen Webseite:

Lidl fördert die nachhaltige Entwicklung internationaler Sozialstandards. Nur in einer offenen und gemeinsamen Zusammenarbeit können Sozial-, Qualitäts- und Umweltstandards erarbeitet und möglichst schnell umgesetzt werden. Die Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) unterstützt Lidl bei dieser wichtigen Aufgabe und hat für Lidl in China und Bangladesch Büros mit Trainern zur Schulung und Qualifikation von Produzenten eingerichtet.

Dass dies nicht so ganz stimmt und im Gegenteil in den Nähstuben Bangladeschs, in denen die Textilien für Lidl, aber auch für Kik und andere Billiganbieter produziert werden, quasi Zwangsarbeitszustände herrschen, beschreibt Nicolas Richter in der heutigen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung.

Die Verbraucherzentrale Hamburg klagt nun gegen Lidl und die Schönfärberei des sozialen Engagements des Unternehmens. Doch genauso wichtig wäre wohl das Umdenken der Kundinnen und Kunden. So lange für die Kundschaft der Preis das anscheinend einzig relevante Kriterium für Kauf oder Nichtkauf zu sein scheint, werden die Unternehmen weiter an der Preisschraube drehen und die Kosten vor allem in der Produktion drücken.

Viele Kunden unterschätzen die Macht, die sie mit ihrer Geldbörse innehaben: Kaufen sie ein Produkt nicht mehr oder boykottieren sie eine Marke, dann sind die entsprechenden Firmen zum Handeln gezwungen. Das hat man eigentlich sehr eindrucksvoll in den Neunzigern bei Shell und in den letzten Jahren bei Schlecker sehen können. Aber auch im Hause Lidl selber, als der Billigkonzern die Biomarkt-Kette Basic kaufte.

Wichtig ist nur, dass die Kunden überhaupt informiert sind. Viele wollen es gar nicht so genau wissen, um gar nicht erst in Gewissenskonflikte zu geraten, Andere haben keine Ahnung, wo sie sich informieren sollen und zucken die Schultern mit einem: „Machen doch eh alle gleich.“ Ein guter Anlaufpunkt für Infos ist die Kampagne für Saubere Kleidung., der deutsche Ableger der Clean Clothes Campaign. Dort kann man sich zum Beispiel die Firmenprofile und Herstellungspolitiken großer Textilmarken anschauen. Neben dem Boykott bestimmter Hersteller kann man noch einiges mehr für ein besseres Klamottengewissen tun:

1. Ein paar Mal weniger shoppen gehen im Jahr. Wer braucht eigentlich so viele Klamotten wie wir im Kleiderschrank hängen haben? (Und wie viel davon ziehen wir nie an?)
2. Second Hand kaufen.
3. Klamotten tauschen oder weiterverschenken. Zum Beispiel auf immer beliebter werdenden Klamottentauschpartys.
4. Kaputte Sachen reparieren. Ein guter Anlass, auch mal wieder bei der Oma vorbeizuschauen und sich das Ding mit dem Stopfen  und Flicken zeigen zu lassen.
5. Mit dem gesparten Geld Kleidung von Herstellern kaufen, die vernünftige Arbeitsbedingungen garantieren, und zwar nicht nur auf dem Papier (Download Unternehmens-Check, PDF 1,6MB).
6. Selber nähen lernen. Aus (teilweise verzweifelter) Erfahrung weiß ich, dass man ein Kleidungsstück erst dann richtig zu schätzen weiß, wenn man mal selbst eines genäht hat. Dann kommen einem auch teurere Klamotten nicht mehr zu teuer vor.

Nachtrag 21.04.2010:
Die Verbraucherzentrale Hamburg war mit der Klage erfolgreich, Lidl darf nicht mehr damit werben, „sozialverträglich“ zu produzieren.

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