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Kleine Pfützen Selbsthass

(Kolumne ursprünglich erschienen in der Taz vom 6. Dezember.)

Ich stehe in der Küche, Schweiß auf der Stirn, Allzweckreiniger in den gummibehandschuhten Händen. Ich putze. Wie eine Wahnsinnige. Es hat sich Besuch angekündigt.

Ich hasse Putzen, und was ich noch mehr hasse: wenn ich nur deshalb putze, weil andere Menschen Gutes von mir denken sollen.

Dabei habe ich es vor einigen Jahren als großen Triumph gesehen, Putzen nicht mehr befriedigend zu finden. So war es nämlich immer gewesen: Glänzte die Küche, hatte ich das Gefühl, mein Leben im Griff zu haben. Ich hatte als Kind und Jugendliche wie vermutlich so gut wie jedes andere Mädchen gelernt, Sauberkeit und Ordnung seien oberste Bürgerinnenpflicht. Bis mir die Idiotie daran auffiel, und: dass ich nur meine Zeit verschwende, wenn ich dem stetig nachwachsenden Dreck und der sich immer wieder aufs neue einstellende Unordnung zwanghaft Herrin zu werden versuche.

Nur wenn Besucht kommt, falle ich in alte Putzmuster zurück. Und bin enttäuscht von mir, die ich doch glaube, emanzipiert zu sein. Beim Putzen hört die Emanzipation auf. Und zwar egal, ob es ein Paar hinkriegt, sich den Haushalt gleichberechtigt aufzuteilen – das ist gar nicht der Punkt, obwohl schon das schwer genug umzusetzen ist. Nein, sogar wenn man wie der Mann und ich ein entspanntes Miteinander mit unseren Staubflusen und dem herumstehenden Abwasch pflegen, kann ich mir immer noch nicht gelassen sagen: In meiner Wohnung kann ich tun und vor allem lassen, was ich will.

Denn in diese Wohnung kommt ab und zu Besuch. Von Eltern, Verwandten, Freunden. Und die bringen in der Mehrzahl die Erwartung in mein Heim, dass ich meine verdammte Bürgerinnenpflicht zu erfüllen habe. Schauen sich dann kritisch um, wie es beim Mann und mir zu Hause so aussieht, und angesichts von Chaos und herumfliegenden Zeitungsteilen, Büroklammern, Strickjacken und dreckblinden Fenstern denkt kein einziger dieser Besucher, darauf verwette ich meine gesamte feministische Bibliothek: „Der Mann hat aber seinen Haushalt nicht im Griff.“

Genau wie sie die Lasagne kommentieren: „Schmeckt super“ und mich dabei beglückwünschend anschauen, auch wenn der Mann die letzten zwei Stunden in der Küche stand und ich mich darauf beschränkt habe, den Käse obenauf zu streuseln. Wir können uns das mit dem Putzen und dem Kochen aufteilen wie wir wollen, der Besuch bleibt dabei: Den Haushalt schmeiße ich. Ich bin ja die Frau.

Deswegen fühle ich mich verantwortlich. Und als schlechte Hausfrau. Obwohl ich keinen Ehrgeiz habe, eine gute Hausfrau zu sein.

Und deswegen stehe ich auch alle paar Wochen wieder mit dem Schrubber in der Hand in der Wohnung, verschwitzt, nach Putzmitteln riechend. Und nach Selbsthass. Überall da, wo ich den Dreck wegwische, hinterlasse ich kleine Pfützen aus Wut und Ratlosigkeit. Darüber, wie ich es hinkriege, dass es mir egal ist, als beschissene Hausfrau, aber gute Köchin zu gelten – weil ich nicht geputzt und obwohl ich nicht gekocht habe. Und ich denke jedes Mal wieder darüber nach, die Sauberkeitsregeln in diesem Haus jedem Besucher gleich beim Ankommen um die Ohren zu hauen. Mit einem fein in Kreuzstich gestickten Bild über dem Eingang zu unserer Wohnung, das sagt: A CLEAN HOUSE IS A SIGN OF A WASTED LIFE.

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